Gute Pädagogik in Risikozeiten – Widerspruch, Herausforderungen, Chancen

Rückblick:

Den Pädagog*innen Mut und Wissen geben für ein gutes Arbeiten in Zeiten von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Mit diesem Ziel planten wir im September 2020 eine Veranstaltung für Mitte November 2020-  in Kooperation zwischen dem Kolleg und dem ThILLM.

Alle Inhalte sind vorbereitet, die Hürden der Anmeldung überwunden, Technik geprüft, 25 Teilnehmer*innen mit digitalen Einwahllink versorgt.

Dann kurz davor: die Personalsituationen in vielen Kitas spitzt sich zu, Corona und Quarantäne, aber auch (fast schon wie früher) Hand-Mund-Fuß, Magen-Darm, Erkältung ziehen Aufmerksamkeit und Energie aller Beteiligten. Wie reagieren wir? Sollten wir absagen? Oder besser die Inhalte verändern?

Wir treffen eine klare Entscheidung FÜR das Seminar und genießen später die Freude über das Gelingen und die Feedbacks, auch mit kritischen Stimmen.  Auch diese bringen uns weiter.

Einmal mehr zeigte sich, dass gemeinsames Denken und der Austausch miteinander stärkend sein kann. Nicht, dass damit alle Probleme und Schwierigkeiten defacto verschwunden sind und zauberstabmäßig in Glücklösungen aufgehen. Vielmehr im Sinne von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Verständnis füreinander gelang ein wohlwollender Blick auf Gelungenes und Kritisches, gab es AHA- Effekte gesamtgesellschaftlicher Phänomene und vor allem Zuspruch und Mut für`s Weitergehen.

Wir danken Mario Braun, dem Referenten dieses Seminares. In Kürze erscheint auf unserer Website ein Fachbeitrag von ihm (www.braunmario.de) zu diesem Thema und für 2021 ist der weitere pädagogische Austausch fest im Blick.  

Ein kleiner Einblick in den Inhalt

Nach Lockdown, Notbetreuung und eingeschränktem Regelbetrieb kehrten die Thüringer Kitas im September wieder in den Regelbetrieb zurück. Grün, Gelb, Rot- allerorts und bunt gemischt, Phasen springen von Grün zu Gelb- Achtung Rot in Sicht! Von Rot zu Gelb- zurück zur Pädagogik nach Konzeption in Grün? Oder lieber dauerhaft blinkend Gelb? Als Vorsichtsmaßnahme?

Zur Normalität sind wir nicht zurückgekehrt. Die Pandemie hat unsere Pädagogik geprägt und den Kita-Alltag verändert. Im Rahmen des Seminars wurde zurückgeschaut und reflektiert: Was hat die Corona Krise mit unserer alltäglichen pädagogischen Arbeit gemacht? Oder was haben wir mit uns machen lassen? Und was können wir daraus mitnehmen?

Die Krisenzeit begann im März als das Virus immer näher rückte und schließlich auch Deutschland erreichte. Mit der Ausbreitung stieg auch die Unsicherheit. Ganz plötzlich standen Kita-Teams vor der Herausforderung, ihren Alltag komplett umstrukturieren zu müssen und an Hygienevorschriften anzupassen. Notbetreuung, für Kinder deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiteten, wurde eingerichtet. Doch systemrelevant – was heißt das eigentlich? Wer gehört alles dazu? Pädagog*innen anfangs nicht. Viele fanden sich in einem Konflikt wieder zwischen Betreuung der eigenen Kinder und Notbetreuung in der Kita.

Auch die Kinder nahmen Veränderungen in ihrem Alltag wahr. Viele genossen die Zeit mit ihren Familien, vermissten aber ihre Freund*innen aus der Kita, waren plötzlich fast ausschließlich von Erwachsenen umgeben. Für manche Kinder und Familien gab es berechtigte Sorgen und Nöte.

In den Kitas wurden ihre Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt. Essen, Schlaf- und Spielsituationen wurden nun viel stärker von der pädagogischen Fachkraft bestimmt, Grundbedürfnisse den Hygieneanforderungen untergeordnet. Gleichzeitig wurde zum Beispiel durch veränderte Abhol- und Bringesituationen mehr Selbstständigkeit von den Kindern gefordert.  Andere Abschiedsrituale mussten gefunden werden, im besten Fall solche, welche feinfühlig Kindern und Eltern einen sorgenfreien Start in den Tag boten.  Eltern haben ihre Kinder nicht mehr in die Garderobe begleitet, sondern sie vor der Kita abgegeben. Damit veränderte sich auch der Kontakt zwischen Familien und Kitas. Plötzlich war weniger Raum, um Themen zu besprechen und Fragen zu klären. Neue Formen des Austauschs mussten gefunden werden, zu denen jedoch Feedback fehlte, ob sie überhaupt funktionieren.

Zudem sind nötige Ressourcen für den digitalen Austausch noch immer nicht in allen Einrichtungen gegeben. Die Frage, wie pädagogische Fachkräfte direkt mit den Kindern in Kontakt bleiben können, rückte in den Hintergrund. Kontakt zu den Kindern zu Hause erfolgte nur mit Umweg über die Eltern.

Die Corona Krise hat die Pädagogik stark verändert. Wesentliche Elemente der modernen Pädagogik wurden außer Kraft gesetzt. Offenheit, Partizipation und Austausch mussten weichen für feste Gruppen, geschlossene Räume und möglichst wenig Begegnung untereinander. Aber auch Reflexion auf die bisherige Konzeption ergaben sich, beeindruckend von einer Pädagogin ausgesprochen: „Endlich habe ich jedes Kind mal genau kennengelernt! Warum war mir das nicht innerhalb der offenen Arbeit möglich? Daraus schlussfolgere ich: Innerhalb von offenen Strukturen, die die Selbstwirksamkeit stärken und die Partizipation sichern, müssen Settings gestaltet werden, die das Kennenlernen des einzelnen Kindes sicherstellen. Gut, das erkannt zu haben!“.

Auch nach dem Ende des Lockdowns und bis heute bleiben Veränderungen in Kitas bestehen. Von einer tatsächlichen Rückkehr zum Regelbetrieb sind Kitas noch weit entfernt. Unsicherheit und Angst vor einem Rückfall zu „Phase rot“ lassen uns festhalten an dem, was sich im März bewährt hat.

Um zurückzukehren zu guter Pädagogik – oder sie viel eher weiterzuentwickeln – gilt es, sich in der Reflexion der vergangenen Monate auf die Grundsätze unserer Pädagogik zurückzubesinnen und sich zu fragen: Was treibt uns an, Pädagog*innen sein zu wollen? Was ist unser Verständnis von guter Pädagogik? Was sind unsere Ziele? Denn unsere pädagogischen Grundsätze sind unabhängig von Rahmenbedingungen und müssen auch in Krisensituationen beibehalten werden.

Autorinnen: Ida Siebenhaar und Elke Lorenz

Gute Pädagogik in Risikozeiten – Widerspruch, Herausforderungen, Chancen